Ein Einwurf in die B27-Diskussion

Ein Gastbeitrag von Pia Ziefle




Tatsächlich, und das mag überraschen, bin ich im Zusammenhang mit 
Bauprojekten aller Art den Argumenten zum Erhalt von Brut-, Lebens-, oder Besiedelungsraum für Tiere aller Art wenig zugänglich. Genau so wenig bin ich erschüttert, wenn die ein oder andere Pflanze hie und da weichen muss. Flora und Fauna existieren länger, erfolgreicher und angepasster auf der Erde als wir Menschen – und daher bin ich ganz und gar egoistisch und anthropozentrisch bei meinem Einwurf. Genauer gesagt: 
wo die Fledermaus langfliegt ist mir zunächst eins, wo meine Kunden langfahren jedoch keineswegs.
Ganz profan: ich will keine Straße vor meine Nase gebaut bekommen, die mir meine Kohle wegspült.
Der Mössinger Einzelhandel kann sich das gar nicht leisten, mehr 
Auto-Auspendler zu produzieren, indem man plötzlich mit dem Auto rasend schnell in Tübingen sein kann und oder ebenso rasch in Reutlingen. Oder gar in Stuttgart. Oder New York (Scherz).
Warum nicht? Weil Leute, die in Mössingen „nur“ wohnen, ansonsten aber mit dem Auto in Tübingen, Reutlingen, Stuttgart, Balingen arbeiten, zwar hier ihre (Fertig-)Häuser bauen, ihre Wirtschaftskraft jedoch auf der Strecke lassen. In Tübingen, Reutlingen, Stuttgart oder Balingen. Je attraktiver wir Mössingen als Transit-City gestalten, umso mehr Transit werden wir auch bekommen. Je vierspuriger die Straße, umso mehr 
Konsumabfluss.

Weiter profan: ich wohne in der Nähe des Freibades, am anderen Ende der Stadt. Weit weg von der bisherigen B27, sollte man denken. Mit Fenster im 3. Stock Richtung Westen höre ich ab 5:00 Uhr früh jeden LKW, der dort entlangfährt. Manchmal ist es ein Geräusch wie früher, wenn am Manövertag die französischen Panzer durch das Dorf meiner Kindheit fuhren, die Jüngeren kennen so etwas gar nicht mehr.
Kann ich wollen, dass dieser tagsüber nie abreißende Lärm noch näher an meinen Frühstückstisch rückt? Siehe oben: ich argumentiere rein egoistisch. Antwort: ich kann das nicht. Die Lärm-Thematik betrifft also keineswegs nur Bästenhardt oder die an die geplante Strecke anliegenden Wohngebiete. Sie betrifft weit mehr Einwohner als man beim reinen Landkartenstudium so denkt. Die Wertentwicklung bisheriger Mössinger 
Premiumwohnlagen kann da ja jeder selber ausrechnen.

Ja, Ofterdingen muss entlastet werden, keine Frage. Aber es gibt bereits eine Planung, die wesentlich smarter ist als jeder vierspurige Ausbau: 
die Regionalstadtbahn.
Dann reicht die bisherige Zweispurigkeit, dazu ein kleiner Tunnel unter Ofterdingen, der Autoverkehr ist untergebracht, die Pendlerschaft ebenfalls. In hübschen, schnellen und leisen Zügen, die überall halten und sogar ein viel größeres Einzugsgebiet haben als das bisherige Straßenverkehrsnetz.

Wohin man überall zur Arbeit fahren können wird! Ganz zu schweigen von all den Wochenendausflüglern, die dann ganz nachhaltig, trendy, öko und achtsam von vielen neuen Haltestellen aus auf die Alb marschieren können. Endlich keine schneckenlangsamen Stuttgarter mehr auf den Steigen! Endlich echter Tourismus im Steinlachtal.

Im Ernst jetzt. Warum ist das Gesamtpaket so smart? Weil es Ofterdingen entlastet und die Kaufkraft für den täglichen Bedarf in Mössingen lässt selbst dann, wenn tatsächlich mehr Menschen nach Mössingen ziehen, weil Tübingen unbezahlbar ist.
Im Zug schleppt man schlicht keine Schnitzel nach Hause.

3 Kommentare zu „Ein Einwurf in die B27-Diskussion

  1. Bevor sich jemand von leichter Polemik in meinem Einstieg auf den Schlips getreten fühlt: selbstredend ist mir gelegen an allem was kreucht und fleucht. Ich kenne alle Argumente und Sichtweisen und teile sie, siehe auch der Beitrag von Frau Egerter. Und auch hier nochmal in aller Deutlichkeit: wir zerstören nicht die Umwelt und ein paar Tierlein. Wir zerstören unsere Lebensgrundlagen. Bisschen weitergedacht – großer Unterschied.

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  2. Vielen Dank an alle Organisator*innen und Redner*innen der tollen Abschlussveranstaltung am 27.09. bei strahlendem Herbstsonnenschein. Jung und (Mittel-)Alt, Landwirte, Gütlesbesitzer, Naturschützer, usw. machten deutlich: Der Widerstand wird auch nach dem 2.10. weitergehen, es sei denn, die Straßenplanungsbehörde des RP denkt um.

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