Zeitachse

Ein zweiter Gastbeitrag von Pia Ziefle
Die andere Sache, die nicht in meinen Kopf geht ist die Sache mit der Zeitachse.
Mein Ausbildungsberuf ist Druckerin. Meine Dazwischenberufe waren alles mögliche. Dozentin, Drehbuchautorin, Schriftstellerin. Und jetzt bin ich Buchhändlerin mit eigenem Laden.

So verschieden all diese Gewerke sind, eines ist bei allen dasselbe: in allen Betrieben würden Chefinnen und Chefs lachend auf dem Boden liegen, wenn ich mich heute hinstellen würde und darauf pochen würde, eine ewig viele Jahre alte Planung umsetzen zu wollen! Weil! Geplant ist geplant! Menno!
Eine Planung, die das Internet nicht kennt, die Mobilitätskonzepte nicht kennt. Die gemacht wurde, als es noch nicht einmal bleifreies Benzin gab! Als das Ozonloch noch am Entstehen war und saurer Regen auf die Wälder niederging.
Eine Planung vor Tschernobyl, vor Fukushima.
Eine Planung aus einer Zeit als man dachte, große hohe Häuser für viele Menschen auf einen Haufen wären eine schnafte Idee – bevor man dann bestürzt feststellte, dass Menschen vielleicht doch mehr brauchen als aufeinandergestapelte, verschiedenfarbige Flure.
Eine Planung aus einer Zeit als man dachte, man würde den größtmöglichen Frieden erreichen mit individuellem Wohlstand und individueller Mobilität. Für jeden ein Haus, ein Auto und ein Boot. Seit dem denkwürdigen Werbespot der Sparkasse sind 25 Jahre ins Land gegangen! 25!
Die jüngere Generation ist aufgewachsen mit dem Gedanken von „eine Bohrmaschine für viele“ und dann kauft einer das ein und das Gerät wird einfach geteilt mit allen, die es irgendwann einmal brauchen.Die noch Jüngeren – die, für die wir die Straße letztlich bauen würden – die überlegen sich, ob sie überhaupt einen Führerschein machen wollen. 
Sie wissen, was für Ressourcen die Entwicklung eines Autos verschlingt, sie wissen Bescheid über Ökobilanzen, da schlackern einem abends beim Chardonnay die Ohren.

Die Jüngeren haben kein Bargeld mehr, sondern einen moneypool bei 
paypal, und dann wird nicht mehr peinlich jede Cola beim Kellner 
abgerechnet, sondern einer zahlt und die anderen schicken per Smartphone ihren Anteil an denjenigen, der gezahlt hat. Oder sie pflegen ohnehin eine gemeinsame Kasse und dann wird gar nicht mehrt gerechnet, wer wie viel getrunken oder gegessen hat. Es wird sich alles im Laufe der Zeit ausgleichen.

Diese Generation will gar nicht mehr 1 Auto pro Person. Die teilen sich eins. Wenn wir das bedenken, und mit einberechnen, dass sie so viel weniger Menschen sind als wir und als die Generation, die diese Trasse geplant hat, dann müssten wir aus rein vernünftigen Gründen die Planung noch einmal aufbohren.

Wenn ich heute in meine Druckerei marschieren würde und fordern, sie müssten so produzieren wie damals – niemand würde mich ernst nehmen. 
Drucken ohne digitale Technik?
Wenn ich meinen Buchladen gegründet hätte mit Prämissen von 1980- ich hätte keinen webshop, keine Warenwirtschaft, keine durchgehende Öffnung, keinen Mittwochnachmittag, und wahrscheinlich wäre ich progressiv wenn es einen Anrufbeantworter geben würde.
Keine Bank der Welt hätte mir auf Grundlage so einer Planung Geld gegeben.
Wir sollten also gut überlegen, wie zukunftsfähig die Trasse ist, und auf welchen Prämissen unsere Verkehrsplanung tatsächlich basiert.

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